04.08.2021 - 06:05 Uhr
Franz Fischer
Nr. 7424
593

Grüne wollen Klimaschutzministerium

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(Berlin) - Die Grünen wollen nach der Bundestagswahl im September bei einer Regierungsbeteiligung ein neues Klimaschutzministerium mit einem Vetorecht schaffen. Es soll Gesetze verhindern, die nicht konform mit dem Pariser Klimaabkommen sind. Das ist ein zentraler Punkt eines „Klimaschutz-Sofortprogramms“, das Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Robert Habeck am Dienstag im Naturschutzgebiet Biesenthaler Becken nördlich von Berlin vorstellten. Es soll laut Baerbock das „größte Klimapaket“ werden, das „dieses Land je gesehen hat“.
 
 
Alles dem Klimaschutz unterordnen
Die Grünen wollen in ihrem Sofortprogramm alles dem Klimaschutz unterordnen. Dazu gehöre ein schneller Ausbau erneuerbarer Energien. Für Neubauten, öffentliche Gebäude, Gewerbegebäude und umfangreiche Sanierungen wird eine Solarpflicht eingeführt. Zwei Prozent der Landesfläche soll für Windkraft genutzt werden. Der Kohleausstieg soll auf 2030 vorgezogen werden - bisher ist dies für spätestens 2038 geplant.
 
 
Wirtschaft und Industrie umbauen
Wirtschaft und Industrie wollen die Grünen klimaneutral umbauen. Ein Viertel der Treibhausgasemissionen Deutschlands stammten aus der Industrieproduktion, 70 Prozent davon aus der Grundstoffindustrie. Besonders umweltschädlich sei die Stahl-, Chemie- oder Zementindustrie. Dabei setzen die Grünen auf die Förderung von Innovationen.
 
 
Gebäude- und Bausektor
Eine Klima-Offensive soll es auch im Gebäude- und Bausektor geben. Der Bausektor gehöre zu den Wirtschaftszweigen mit den höchsten Emissionen und dem höchsten Ressourcenverbrauch. Bei Neubauten und Sanierungen sollen strengere Regeln für die Energieeffizienz eingeführt, in Neubauten Ölheizungen verboten und Wärmepumpen gefördert werden. Hauseigentümer sollen die Kosten für den CO2-Preis beim Heizen alleine tragen. Denn sie entschieden über Sanierungsmaßnahmen, welche Heizung verwendet wird.
 
 
Mobilität klimaneutral umbauen
Die Mobilität in Deutschland soll klimaneutral werden. Dazu brauche es mehr Elektroautos und ein engmaschiges Ladesäulennetz. Damit die Elektromobilität auch gelinge, wollen die Grünen die Dienstwagenregelung im Einkommensteuergesetz und die Kfz-Steuer im Kraftfahrzeugsteuergesetz am CO2-Ausstoß der Fahrzeuge ausrichten. Der Betrieb herkömmlicher Fahrzeuge wird damit immer teurer.

Durch die grüne Mobilitätswende entstehe in Städten und Dörfern mehr Lebensqualität. Die Fortbewegung erfolge künftig klimaschonend ohne Staus und Verkehrstote, mehr Freiheit, Teilhabe und Wohlstand. Dazu brauche es mehr Fahrradstraßen, ein anderes Parkraum-Management und die Förderung des Radfahrens, zu Fußgehens und öffentlichen Nahverkehrs. Die Investitionen für Schiene, öffentlichen Nahverkehr und Rad sollen bereits im Bundeshaushalt 2022 erhöht, die Mittel für Straßenneubau dagegen zum Erhalt der Infrastruktur umgeschichtet werden. Neue Autobahnen, Bundesstraßen und Ortsumfahrungen soll es nicht mehr geben. Für die Schiene strebt den Grünen dagegen ein Planungsbeschleunigungsgesetzt vor. Besonders wichtig sei ein Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen. Das spare zwei Millionen Tonnen CO2 ein, so viel wie der gesamte innerdeutsche Luftverkehr.
 
 
Wasserstoff
Grüner Wasserstoff ist für die Grünen ein zentraler Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Das Ziel für Wasserstoff-Elektrolyse in Deutschland soll von 5 auf 10 Gigawatt verdoppelt werden. Für Industriecluster wird der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur angestrebt, die der Staat vorfinanzieren soll.
 
 
Landwirtschaft
Die Landwirtschaft ist für die Grünen maßgeblich für die Auswirkungen der Klimakrise mit verantwortlich. Hitzewellen, starke Regenfälle und verschobene Jahreszeiten sorgten für Ernteausfälle und erschwerte Bedingungen beim Anbau. Doch gerade die industrialisierte Art und Weise, wie Äcker oftmals bearbeitet und Tiere vielfach gehalten würden, sei nicht zukunftsfest. Um die Landwirtschaft klimagerecht zu machen, soll die Tierhaltung begrenzt, der Ökolandbau gestärkt und Verfahren verboten werden, die Böden krank und unfruchtbar machen. Bäuerinnen und Bauern sollen ihre Ställe tiergerecht umbauen. Dazu wird ein Tierschutz-Cent für tierische Produkte eingeführt. Die Grünen wollen ein Beratungs- und Praxisprogramm für Bäuerinnen und Bauern auflegen, in denen unterrichtet wird, wie sie ihre Äcker, Wiesen und Obstgärten klimagerecht bewirtschaften.
 
 
Moorschutz
Die Ökopartei will auch eine Moorschutzstrategie auflegen, die für strikten Moorschutz sorgt, die Wiedervernässung von Mooren gezielt fördert und für genutzte Moorböden eine ökonomische Perspektive für die landwirtschaftliche Bearbeitung ermöglicht. In ein Aktionsprogramm sollen 10 Prozent des Energie- und Klimafonds für Maßnahmen des Klima-Naturschutzes fließen. Intakte Natur wie Auen, Moore, Seegraswiesen und naturnahe Wälder seien die besten Verbündeten für Klimaschutz und den Schutz der Tier- und Pflanzenwelt.
 
 
Sozialgerechte Transformation
Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen für die Grünen Hand in Hand gehen. Durch ein klimaneutrales Wirtschaftssystem veränderten sich Jobprofile grundlegend und Arbeitsplätze gingen verloren. Mit einem Sofortprogramm soll der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden, damit Menschen mit niedrigem Einkommen nicht durch steigende Preise durch den Klimaschutz überfordert werden. Im Sozialgesetzbuch wollen die Grünen ein neues Qualifizierung-Kurzarbeitergeld verankern, das Betriebe in den Phasen der Transformation zur Nachhaltigkeitsqualifizierung erhalten.
 
 
CO2-Preis erhöhen
Den CO2-Preis will die Ökopartei bereits 2023 auf 60 Euro je Tonne erhöhen. Die Einnahmen sollen vollständig an die Menschen als Energiegeld zurückgegeben werden. Eigenheimbesitzer und Pendelnde mit niedrigen Einkommen sollen einen Klimabonus erhalten, wenn sie sich eine Wärmepumpe oder ein emissionsfreies Fahrzeug anschaffen.
 
 
Bundeshaushalt als Klimahaushalt
Nicht zuletzt wollen die Grünen den Bundeshaushalt zum Klimahaushalt machen. Dazu planen die Grünen zu Beginn ihrer Investitionsoffensive die Investitionen in Klimaschutz um 15 Milliarden Euro zusätzlich. Besonders wichtig seien klimaneutrale Infrastrukturen, in Ladesäulen, einen Ausbau von Bahn-, Fuß- und Radverkehr, emissionsfreie Busse, in Energiespeichertechnologien, erneuerbare Energien und moderne Stadtentwicklung sowie Gebäudesanierung und Energienetze. Umweltschädliche Subventionen, wie Straßenbau, Luftverkehr oder die Pendlerpauschale sollen um 10 Milliarden Euro gesenkt werden.
 
 
Deutschland als Vorreiter für Klimaschutz
Auf EU-Ebene soll Deutschland zum Treiber für mehr Klimaschutz werden. Im Rahmen der Weltklimakonferenz in Glasgow werde Deutschland sich unter einer grünen Führung dafür einsetzen, dass insbesondere die großen Emittenten ihre nationalen Beiträge anheben und die EU gemeinsam mit den USA und China im Klimaschutz vorangehen.


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