21.10.2023 - 05:28 Uhr
Franz Fischer
Nr. 8420
454

Schienen- und Autobahnbeschleunigung beschlossen

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(Berlin) - Der Bundestag hat am Freitag ein Maßnahmenpaket zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich beschlossen. Einem hierzu von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes“ stimmten die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu. Die drei Oppositionsfraktionen CDU/CSU, AfD und Die Linke votierten gegen das zuvor im Verkehrsausschuss in weiten Teilen geänderte Gesetz.

Darüber hinaus nahm der Bundestag mit beinahe demselben Stimmverhältnis – einzig Die Linke hatte sich dieses Mal enthalten – eine Entschließung an. Darin fordern die Abgeordneten von der Bundesregierung unter anderem, die Umsetzung des sogenannten Deutschlandtaktes „infrastrukturell, finanziell, organisatorisch, eisenbahnrechtlich und europarechtskonform abzusichern“. Mit dem Deutschlandtakt sollen besser abgestimmte, schnellere und verlässlichere Verbindungen im Nah-, Fern- und Güterverkehr erreicht werden. Die Öffentlichkeit solle hinsichtlich der anstehenden Trassenplanungen außerdem besser informiert und einbezogen werden, heißt es.

 

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Das beschlossene Gesetz zieht Änderungen des Bundesfernstraßengesetzes, des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, des Bundeswasserstraßengesetzes, des Luftverkehrsgesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes, des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes, des Investitionsgesetzes Kohleregionen sowie des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung nach sich.

Die Änderungen des Bundesfernstraßengesetzes enthalten Regelungen, die die Verfahren für Ersatzneubauten bei Brückenbauwerken der Bundesfernstraßen vereinfachen und beschleunigen sollen, für erneuerbare Energie auf Bundesautobahnen und zur Digitalisierung des Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahrens. Außerdem enthalten sie Regelungen zur Ausweitung von Duldungspflichten und einer frühzeitigeren vorzeitigen Besitzeinweisung. Eine Fortschreibung der Vorhabenliste zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, Erleichterungen für den Bau von Windenergie- und Solaranlagen entlang von Bundesfernstraßen, Gebührenregelungen für anbaurechtliche Verfahren, Regelungen zur Abwicklung des Grunderwerbs sowie eine Regelung zur Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde bei ländergrenzenüberschreitenden Vorhaben sind ebenfalls Bestandteil des Maßnahmenpakets.

 

Schienen, Autobahnen und Radwege beschleunigen

Darüber hinaus wird die in der EU-Richtlinie 2021/1187 enthaltene Vierjahresfrist für Genehmigungsverfahren in deutsches Recht umgesetzt. Auch sollen Erleichterungen für den Bau von straßenbegleitenden Radwegen an Bundesstraßen erreicht werden. Im Fernstraßenausbaugesetz wird festgelegt, dass der Bau oder die Änderung einer Bundesfernstraße, die in der neuen Anlage 2 aufgeführt ist und die mit dem Zusatz „Engpassbeseitigung“ fest disponiert ist oder für die der Bedarfsplan einen vordringlichen Bedarf mit dem Zusatz „Engpassbeseitigung“ feststellt, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt. Dies gilt nur für politisch ausgesuchte Autobahnprojekte und in keinem Fall für Bundesstraßen.

Die Änderungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes beinhalten Regelungen zur Digitalisierung der Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren, zur Ausweitung von Duldungspflichten und einer frühzeitigeren vorzeitigen Besitzeinweisung. Darüber hinaus kann die Planfeststellungsbehörde in bestimmten Fällen eine Entscheidung über die planfestgestellten Verkehrsanlagen vorbehaltlich des Lärmschutzes treffen.

 

Bundesschienenwegeausbaugesetz und Bundeswasserstraßengesetz

Im Bundesschienenwegeausbaugesetz legt die Regierung fest, dass der Bau oder die Änderung eines Bundesschienenweges, der fest disponiert ist oder für den der Bedarfsplan einen vordringlichen Bedarf feststellt, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt.

Die Änderungen des Bundeswasserstraßengesetzes beinhalten Regelungen zur Digitalisierung der Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren, zur Ausweitung von Duldungspflichten, einer frühzeitigeren vorzeitigen Besitzeinweisung sowie eine Erweiterung der Anlage 2 um Bundeswasserstraßen mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.

 

Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfung

Ferner wird die in der genannten EU-Richtlinie enthaltene Vierjahresfrist für Genehmigungsverfahren im Bundeswasserstraßengesetz, im Luftverkehrsgesetz und im Wasserhaushalsgesetz umgesetzt. Die Änderungen des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes und des Investitionsgesetzes Kohleregionen betreffen Folgeänderungen sowie redaktionelle Anpassungen.

Im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung will die Regierung regeln, dass beim Ersatzneubau von Brücken der Bundesfernstraßen unter bestimmten Voraussetzungen keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist. Gleiches soll in bestimmten Fällen für straßenbegleitende Radwege an Bundesstraßen gelten.

 

Minister: Ohne Straßen gibt es kein Wachstum

Ein besonderer Fokus des Gesetzes liege auf der Schiene, sagte Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) zu Beginn der Debatte. Die betroffenen Schienenprojekte könnten zum einen davon profitieren, dass sie bei rechtlichen Abwägungen ein „überragendes öffentliches Interesse“ geltend machen könnten. Zum anderen würden die für den Deutschlandtakt notwendigen Schienenprojekte gesetzlich verankert, „so dass direkt mit den Planungen begonnen werden kann“.

Wissing machte zugleich deutlich, dass die Straße nach wie vor der wichtigste Verkehrsträger sei. „Und das wird auch so bleiben“, fügte der Minister hinzu. Man werde alles tun, um so viel wie möglich auf die Schiene zu verlagern. Klar sei aber auch: „Ohne Straßen gibt es kein Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland.“ Der Gesetzentwurf sei ein Versprechen, sagte Wissing. Ein Versprechen, „dass Wachstum, Wohlstand und Teilhabe auch in Zukunft in Deutschland möglich sind“.

 

Union: Gesetz bringt keine Vorfahrt für die Demokratie

Aus Sicht von Ulrich Lange (CDU) ist das im Gesetz beschriebene überragende öffentliche Interesse ein „unbestimmter Rechtsbegriff“. Es komme also auf die Abwägung im Einzelfall an. Dabei müsse aber das im Grundgesetz verankerte Staatsziel des Umweltschutzes zuallererst beachtet werden.

„Herzlichen Glückwunsch an alle Bürgerinitiativen, die Infrastruktur verhindern wollen“, sagte Lange. Eine Einzelfallbetrachtung sorge dafür, dass es eben keine Planungsbeschleunigung gebe. Benötigt werde vielmehr die Einschränkung des Verbandsklagerechtes. Das Gesetz bringe keine Vorfahrt für die Demokratie, keine Vorfahrt für Verkehrsprojekte und auch keine Vorfahrt für Deutschland, sagte der Unionsabgeordnete.

 

SPD: Deutschland-Tempo ist möglich

Detlef Müller (SPD) zog ein positives Fazit des Gesetzgebungsverfahrens. „Was lange währt, wird endlich gut“, sagte Müller, der mit dem Gesetz auch einen zentralen Punkt aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt sieht. Benötigt werde mehr Kapazität auf der Schiene, so der Ex-Eisenbahner.

„Wir dürfen bei Instandhaltung, Sanierung und beim Ersatzneubau zentraler Trassen im Verkehrsbereich keine Zeit verlieren, wenn wir Verkehrsinfarkte verhindern wollen“, sagte Müller. Zudem gelte es bei der Behebung von Engpässen – egal ob auf Straße oder Schiene – schneller voranzukommen. Die schnelle Umsetzung der LNG-Projekte im letzten Jahr habe gezeigt, dass das von Bundeskanzler Scholz ausgerufene „Deutschland-Tempo“ möglich sei. Es werde nun auch auf Verkehrsprojekte ausgedehnt. Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens sei es sogar gelungen, das überragende öffentliche Interesse auch auf Projekte des Schienenpersonennahverkehrs auszuweiten, sagte der SPD-Abgeordnete.

 

AfD will Autobahn-Vorhaben vorantreiben

Die Eisenbahn, „das Lieblingskind der grünen Verkehrsplaner“, kommt laut Wolfgang Wiehle (AfD) in den Genuss all dessen, was dieses Gesetz zu bieten habe. Jedes einzelne Eisenbahn-Vorhaben aus dem vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP 2030) bekomme den Aufkleber des überragenden öffentlichen Interesses. Beim Straßenverkehr, „dem Lieblingsfeind der Grünen“, sehe das völlig anders aus, sagte er.

Zwar gehe aus der Verkehrsprognose der Bundesregierung hervor, dass auch im Jahre 2051 der Straßenverkehr den Löwenanteil des Verkehrs ausmachen werde – sowohl im Personen- als auch beim Güterverkehr. Dennoch bekomme nur eine streng begrenzte Liste von 138 Straßenbauprojekten die überragende Priorität. Äußerst wichtige Vorhaben, wie etwa die A 20 in Schleswig-Holstein und die A 8 in Baden-Württemberg, fehlen aus Sicht des AfD-Abgeordneten. Das beweise: „Die FDP darf in dieser Regierung zwar den Verkehrsminister stellen, aber die Grünen bestimmen die Richtung.“

 

Grüne: Zeit der Umgehungsstraßen ist vorbei

Wenn man die Infrastruktur instand halte, so sagte Susanne Menge (Bündnis 90/Die Grünen), erspare man sich an vielen Stellen zukünftig „teure und klimaschädliche Neubauprojekte“. Die Instandhaltung sei aber in den zurückliegenden Dekaden versäumt worden. „Vor allem in den Erhalt von Brücken wurde über lange Zeit viel zu wenig investiert“, sagte die Grünenabgeordnete. So habe sich eine Bugwelle an Sanierungsarbeiten aufgebaut, die für lange Zeit erhebliche personelle, materielle und finanzielle Ressourcen binden werde.

Menge forderte eine klare Priorisierung bei Verkehrsprojekten. Die Zeiten, als mit der Gießkanne über das Land gezogen und jedem noch so winzigen und unbedeutenden Ort im Nirgendwo eine unnötige Umgehungsstraße versprochen worden sei, seien vorbei, sagte sie. Das gelte auch für das Autobahnnetz. „Neue Autobahnen sind verkehrlich nicht notwendig und klimapolitisch überhaupt nicht mehr verantwortbar“, befand die Grünen-Abgeordnete.

 

Linke: Verheerendes Signal an die Klimaschutzbewegung

„Wer im 21. Jahrhundert noch Autobahnen baut und Standards für Umweltschutz schleift, hat den Schuss nicht gehört“, sagte Bernd Riexinger (Die Linke). Jahr für Jahr verfehle der Verkehrssektor krachend die Umweltziele. Die Beschleunigung von 138 Autobahnprojekten sei das Gegenteil von Klimaschutz, befand er.

Dass die Grünen dabei mitmachten, sei eine Bankrotterklärung und ein verheerendes Signal an die Klimaschutzbewegung. Obwohl SPD und Grüne für mehr Demokratie angetreten seien, beschränkten sie „so nebenbei“ wichtige Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit und von anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbänden, kritisierte Riexinger.

 

FDP: Infrastruktur steht für Wohlstand

Für Johannes Vogel (FDP) steht eine bessere Infrastruktur für „Entwicklung, Wohlstand und bessere Aufstiegschancen“. Nicht zuletzt deshalb, weil viele der hochinnovativen mittelständische Unternehmen im ländlichen Raum angesiedelt seien. In seinem Wahlkreis Sauerland sei derzeit zu beobachten, „wohin es führt, wenn wir Infrastruktur nicht rechtzeitig instand halten und ausbauen“.

Die seit 2021 nicht mehr nutzbare Rahmedetalbrücke sorge dafür, dass die Unternehmen in der Region keine Fachkräfte fänden. Es gebe weniger Wertschöpfung. „Der Verlust im Sauerland liegt bei einer Million Euro pro Tag“, sagte Vogel.


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