11.06.2018 - 21:13 Uhr
Franz Fischer
Nr. 6266
1.223

Ausschuss will B 30 aus europäischem Naturschutzgebiet herauslösen

Geplante Veränderung des FFH-Gebiets am Egelsee

 
(Bad Waldsee) - Es mutet kurios an: Eine der stärksten befahrenen Bundesstraßen Deutschlands ist seit 2007 auf einem Teilabschnitt als europäisches Naturschutzgebiet (FFH-Gebiet) ausgewiesen. Nach Willen des Landes soll das auch in Zukunft so bleiben. Zudem soll nun ein weiterer Teil der Bundesstraße zum europäischen Naturschutzgebiet erklärt werden. Die Stadt Bad Waldsee will das nicht akzeptieren und eine Stellungnahme abgeben.

Der Ausschuss für Umwelt und Technik des Bad Waldseer Gemeinderates hat sich in seiner jüngsten Sitzung Anfang Juni mit der detaillierten Gebietsabgrenzung des Fauna-Flora-Habitat Gebiets (FFH-Gebiet) "Altdorfer Wald" befasst. Das FFH-Gebiet "Altdorfer Wald" besteht aus diversen Einzelgebieten im Altdorfer Wald. Darunter befindet sich südwestlich von Enzisreute ein im Jahr 2007 neu ausgewiesenes europäisches Schutzgebiet. Doch statt ein nördliches und südliches Schutzgebiet auszuweisen, hat das Land die Bundesstraße 30 einfach mit in das Schutzgebiet einbezogen. Das will die Stadt Bad Waldsee ändern. Das Gremium befürwortet die Herausnahme der B 30 aus dem FFH-Gebiet. Ein 40 Meter breiter Korridor um die Bundesstraße soll ausgespart werden. Bei zwei Enthaltungen von Michael Kaiser und Dominik Souard (beide Grüne) segnete das Gremium die Abgabe einer entsprechenden Stellungnahme der Stadt ab.

Die Stadtverwaltung erklärte in der Sitzung, dass ein Korridor freigehalten werden müsse, sonst könnte es bei baulichen Veränderungen entlang der B 30 Schwierigkeiten geben. Sobald Flächen einem Schutzgebiet zugewiesen wurden, gelten strenge Auflagen und es bestehe kaum eine Chance, diese Flächen nachträglich wieder aus einem ausgewiesenen Schutzgebiet herauszuholen. Außerdem sei die Ausweisung eines Straßenkörpers als Naturschutzgebiet von europäischem Rang nicht nachvollziehbar.

 

Managementpläne werden erstellt
Zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union sind die europäischen Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet Natura 2000-Gebiete (FFH-Gebiete) auszuweisen. Die Europäische Kommission hat im Jahr 2007 eine Liste über die FFH-Gebiete des Landes Baden-Württemberg im Kartenmaßstab 1:25.000 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Diese Gebiete sollten innerhalb von sechs Jahren besonders geschützt werden. Baden-Württemberg sowie weitere Bundesländer kamen dieser Regelung in der FFH-Richtlinie jedoch nicht nach. Die Europäische Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und eine rechtsverbindliche Ausweisung der Gebiete sowie eine genaue Abgrenzung gefordert.

Diese geforderte Abgrenzung führt das Regierungspräsidium Tübingen zurzeit durch. In diesem Rahmen werden zum einen Managementpläne erstellt, um die Gebiete dauerhaft zu erhalten, zum anderen wurden die Karten im Maßstab 1:5.000 detaillierter dargestellt. Bis Ende 2020 muss die Managementplanung abgeschlossen sein. Im Rahmen dieser Arbeiten führte das Regierungspräsidium bis zum 8. Juni 2018 eine öffentliche Anhörung durch. Gemeinden, Behörden, Träger öffentlicher Belange, die anerkannten Naturschutzvereinigungen sowie die Land, Forst- und Fischereiwirtschaftlichen Berufsvertretungen haben bis zum 9. Juli 2018 Zeit Stellung zu nehmen.

 

FFH-Gebiet "Altdorfer Wald"
Das FFH-Gebiet "Altdorfer Wald" ist insgesamt ca. 1.350 Hektar groß, gliedert sich jedoch in diverse Teilflächen. Eine Reihe davon liegen entlang der Wolfegger Ach, andere entlang der Schussen, weitere sind über das Waldgebiet verteilt.

Mehrere Teilflächen liegen im Zuständigkeitsbereich der Stadt Bad Waldsee. Eine Teilfläche liegt südwestlich von Reute im Schussentobel östlich der Südbahn und umfasst Waldflächen. Die Südbahn selbst ist nicht Teil des FFH-Gebiets. Der Bahnhof Durlesbach ist ebenfalls nicht in das Naturschutzgebiet einbezogen. Die zweite Teilfläche südöstlich von Enzisreute in Richtung Gambach umfasst mit 38 Hektar das Naturschutzgebiet "Saßweiher". Die Kreisstraße von Enzisreute nach Bergatreute ist ebenfalls nicht im Schutzgebiet enthalten. Die dritte Teilfläche befindet sich südwestlich von Enzisreute im Bereich des Egelsees, schließt dort aber die Bundesstraße 30 mit in das europäische Naturschutzgebiet ein.

Im nördlichen Teilbereich dieses Schutzgebietes liegt der Bunkhofer Weiher, der als "flächenhaftes Naturdenkmal" ausgewiesen ist und rund 2,8 Hektar umfasst. In diesem Schutzgebiet liegt der Avenwald. Auch der Schanzwiesweiher gehört zum Schutzgebiet mit ebenfalls 2,8 Hektar. Südlich der B 30 ist auf der Gemarkung Baindt der Egelsee mit 5,5 Hektar im Schutzgebiet ausgewiesen. So auch südlich der B 30 der Stockweiher, ebenfalls ein "flächenhaftes Naturdenkmal" mit 1,7 Hektar. Nordöstlich des Weihers befinden sich zwei Kalktuffquellen. Die Schutzgebiete nördlich und südlich der B 30 werden nicht durch die B 30 unterbrochen. Schon 2007 wurde die B 30 einfach mit in das europäische Naturschutzgebiet einbezogen. Der schon damalige Einwand der Stadt Bad Waldsee wurde zurückgewiesen.

 

Land will B 30 als FFH-Gebiet erhalten
Auch im Entwurf ist die Bundesstraße 30 im Bereich des Egelsees weiterhin im FFH-Gebiet enthalten. Gegenüber 2007 sieht der aktuelle Entwurf nun vor, dass künftig nicht nur 150 Meter, sondern 160 Meter der Bundesstraße als europäisches Naturschutzgebiet ausgewiesen werden.

 

FFH-Gebiet soll erweitert werden
Obwohl mit der Konkretisierung der FFH-Gebiete keine neuen Gebiete geschaffen werden sollten, sieht der Verordnungsentwurf des Regierungspräsidiums zusätzlich die Erweiterung neuer Flächen nördlich der B 30 in nördlicher und östlicher Richtung vor. Im Bereich des Egelsees soll das FFH-Gebiet nun entlang der B 30 um rund 90 Meter in Richtung Osten erweitert werden. Dies betrifft zum Teil Flächen der Anmeldetrasse der B 30 zum aktuellen Bundesverkehrswegeplan. Dafür sollen im südlichen Teilbereich des FFH-Gebiets Flächen entfallen, die fernab mitten im Wald liegen.

 

Stadt will Korridor freihalten
Die Ausweisung einer Bundesstraße als europäisches Naturschutzgebiet missfällt der Stadt Bad Waldsee. Südbahn und kaum befahrene Kreisstraßen werden ausgespart, aber eine stark befahrene Bundesstraße soll weiterhin in ein europäisches Naturschutzgebiet integriert werden. Der Ausschuss für Umwelt und Technik befürwortete die Herausnahme der B 30 aus dem FFH-Gebiet. Ein 40 Meter breiter Korridor um die Bundesstraße soll ausgespart werden.

In der Aussprache wollte Michael Kaiser (Grüne) wissen, ob die örtlichen Naturschutzverbände wie beispielsweise der BUND bei der Ausweisung der Flächen beteiligt waren. Laut Verwaltung habe ein Austausch zwischen den Verbänden und dem Regierungspräsidium im Vorfeld stattgefunden.


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