01.04.2019 - 01:54 Uhr
Franz Fischer
Nr. 6584
3.305

Kreistag stimmt für Planungsgesellschaft, stellt aber Anforderungen

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(Obereschach) - Der Ravensburger Kreistag hat in seiner Sitzung am Donnerstag in der Eschachhalle in Obereschach nach rund 3½-stündiger Debatte dem Beitritt des Landkreises Ravensburg zur geplanten Planungsteam Bodensee-Oberschwaben GmbH (PBO) zugestimmt. Allerdings kommt der Beitritt nur dann zu Stande, wenn die Stadt Bad Waldsee noch tiefer in die Tasche greift.

Lebhaft aber sachlich, teilweise auch emotional, jedoch respektvoll, war die Debatte. Den Zuhörern wurde ein breites Spektrum geboten. Während sich die ÖDP "dramatisch" gegen eine Veränderung an der B 30 bei Gaisbeuren und Enzisreute aussprach, ja für die ÖDP die Zerstörung der Erde droht, herrschte bei den anderen Fraktionen kein Zweifel daran, dass gehandelt werden muss. Wie gehandelt werden soll, auch darüber ging die Meinung auseinander. ÖDP, Grüne und SPD brachten ihre Ablehnung zur Planungsgesellschaft zum Ausdruck. Während ÖDP und Grüne auf alternative Verkehrsmittel setzen, ist für die SPD klar, dass das Land die Planung durchführen muss. Die Freien Wähler waren geteilter Meinung. Hauptkritikpunkte waren die Kosten und Risiken: Ist der Kreis erst in die Planung eingestiegen, muss sie auch zu Ende gebracht werden. Denn das Land hat sehr deutlich gemacht, dass es unter keinen Umständen bereit ist, die Planungsaufgabe im laufenden Planungsprozess zu irgendeinem Zeitpunkt zurückzuübernehmen.

Am Ende fiel der Beschluss auf Beitritt des Landkreises Ravensburg zur Planungsteam Bodensee-Oberschwaben GmbH. Jedoch unter der Voraussetzung, dass sich die Stadt Bad Waldsee dynamisch an 26 Prozent der Kosten und zusätzlich dynamisch an 26 Prozent der Vorfinanzierung beteiligt. Die PBO wird gegründet, falls bei der nächsten Gemeinderatssitzung in Bad Waldsee eine Einigung in diesem Sinne zustande kommt, so der vom Kreistag angenommene Antrag der CDU-Fraktion.

Die Grünen plädierten dafür die Planung beim Land zu belassen, die ab 2022 geregelt erfolgen werde. Eine Planung durch die PBO sieht die Fraktion als "sehr riskant". Die Kosten könnten deutlich steigen und die Planungsgelder nicht ausreichen. Es drohe ein Zusammenbruch der Planung. Der Kreis solle sich um den ÖPNV kümmern.

Für die SPD bestand kein Zweifel daran, dass eine Lösung gebraucht werde. Das Ziel solle verantwortlich erreicht werden. Der kurze Zeitgewinn sei teuer bezahlt und es bestehe kein Zweifel daran, dass die Straße gebaut werde. Auch für die SPD droht eine deutliche Kostensteigerung. Straßenplanungen seien sehr kompliziert und schwierig. Es drohe eine Reihe von Schwierigkeiten. Der bessere Weg sei die Planung beim Land zu belassen und einen "Kümmerer" einzurichten. Das eingesparte Geld solle für den ÖPNV, die Kliniken und für Radwege verwendet werden.

Für die CDU ist es wichtig, dass sich der Kreis engagiert. Das Land habe den Willen, aber nicht das Personal. Bei Meckenbeuren werde seit dreißig Jahren geplant. Planungen von Städte und Gemeinden hätten immer gut geklappt. Auch mit der Südbahn sei es erst dann vorangegangen, als die Region in die Planung eingestiegen ist. Die CDU ist sich sicher, dass es schneller geht und der Kreis nur profitieren kann.

Die Freien Wähler stellten klar, dass die Planung von Bundesstraßen nicht die Aufgabe des Kreises ist. Es sei aber wichtig gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Mit der PBO werde ein "Kümmerer" eingerichtet. Bei Meckenbeuren werde seit dreißig Jahren diskutiert. Es bestehe die Chance der Zeitersparnis und die Raumschaft profitiere von der Maßnahme.

Axel Müller (CDU), Roland Schmidinger (Freie Wähler) und Roland Weinschenk (CDU) sprachen sich für die Gesellschaft aus. Daniel Gallasch (FDP) erklärte, dass er es noch erleben möchte, dass die B 30 fertig wird.

Siegfried Spangenberg (Grüne) zeigte sich skeptisch. Er bezweifelte, dass sich der Kreis "dieses Problem" anlasten könne. Es handle sich um ein großes Versäumnis der Regierungen. Von der Planungsgesellschaft solle der Kreis die Finger lassen. Ein weiteres Mitglied der Grünen verwies auf die Verkehrswende. Mit Straßenbau liege man falsch. Viele Menschen hätten keinen Führerschein mehr und würden mit der Bahn fahren. In fünf Jahren werde autonom gefahren. Hildegard Fiegel-Hertrampf (Grüne) warb dafür für eine schnelle Entlastung in Gaisbeuren Busse einzusetzen. Sie befürchtet auch, dass die Planungsgesellschaft dem Land die Planer wegnimmt.

Dr. Hermann Schad (Freie Wähler) forderte die Kreisverwaltung auf mit dem Land über die Kostenaufteilung zu sprechen. Er sieht es als richtig, dass der Kreis die Personalkosten trägt, die restlichen Planungskosten sollte aber das Land tragen.

Wilfried Franke vom Regionalverband Bodensee-Oberschwaben brachte seine Sichtweise ein. Er ist seit 35 Jahren Planer - mit ernüchterndem Ergebnis. Anspruch und Wirklichkeit liegen weit auseinander: Nur sieben Projekte wurden realisiert, davon sind aktuell drei in Bau. In der Region Bodensee-Oberschwaben stehen im aktuellen Bedarfsplan 12 Maßnahmen im Vordringlichen Bedarf. Nur an zwei plane das Land und diese liegen beide im Bodenseekreis. Sigmaringen habe keine Perspektive und Probleme wieder in den Bundesverkehrswegeplan zu kommen. Im Bodenseekreis wurde x-mal mit der Planung der B 31 Friedrichshafen - Lindau begonnen und nun stehe man immer noch bei Null. Bei Meckenbeuren hat 2011 das Land die Planung wieder begonnen. Erst acht Jahre später steht eine Vorzugstrasse fest und diese ist noch nicht im Rechtsverfahren, gab er zu bedenken. Auch Franke warnte vor Risiken. Straßenplanungen sind sehr komplexe Verfahren, die nur erfahrene Ingenieure mit mindestens zehn Jahren Einarbeitung beherrschten. Die Region habe sich erfolgreich an der Südbahn beteiligt. Die Ortsumfahrungen B 465 Bad Wurzach und B 32 Bad Saulgau wurden regional geplant und gebaut. Für Franke ist die Planungsgesellschaft richtig. Dem Land fehlten die Planer. Es stünden enorme Risiken im Raum. Er warb darum, dass sich der Kreis darum kümmert. Franke erklärte auch, dass die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben ihm gegenüber jährlich bis zu 50.000 Euro für die PBO in Aussicht gestellt habe.

Dr. Ulrich Walz (Grüne) meinte, dass die Wirtschaft ohnehin laufe. Die Ortsumfahrungen Gaisbeuren und Enzisreute habe man bisher ohnehin nicht hinbekommen. Er sprach sich gegen Straßenneubau aus und plädierte dafür vorhandene Trassen auszubauen. Eine Lösung sei für Gaisbeuren notwendig. Dazu sollten alternative Verkehrsarten gefördert werden.

Christian Natterer (CDU) wies darauf hin, dass das Land große Probleme hat Personal zu finden. Vor Jahren wurden sieben Stellen ausgeschrieben. Bis heute sei nur eine besetzt. Der Wettbewerb um Planer werde durch die Bundesgesellschaft schärfer.

Michael Lang (Freie Wähler) erinnerte an die Planung einer Bahnunterführung in Wangen/Allgäu. Diese wurde 2002 versprochen. 2019 plant das Land immer noch. Er äußerte Bedenken, dass sich der Kreis die B 30-Planung leisten könne und plädierte dafür, dass der Antragsteller bezahlt.

Die Kreisverwaltung führte aus, dass sich der Landkreis Ravensburg die Planung leisten kann. Er dürfe sich im Rahmen der Wirtschaftsförderung beteiligen.

Siegfried Scharpf (ÖDP) ergriff das Wort. Er sprach von einem Unterschied ob Südbahn oder Straße. Der Individualverkehr dürfe nicht weiter "gezüchtet" werden. Mit der Umfahrung Gaisbeuren würden gewiss Naturschutzgebiete und die örtlichen Betriebe zerstört sowie die Probleme nur verlagert. Die Maßnahme sei nicht dringend. Nur ab und zu gebe es ein bis zwei Minuten Stau. Er befürchtet auch eine Zerstörung der Welt. Der Kreis habe wichtige Aufgaben. Der ÖPNV müsse gefördert werden.

Bernhard Schultes (Freie Wähler) forderte die von Bad Waldsee beschlossene Kostenbeteiligung von 200.000 Euro pro Jahr zu akzeptieren. Landrat Harald Sievers beharrte jedoch auf einer "doppelten Dynamik". Ohne diese sieht er aufkommende Probleme in den Folgejahren. Der Landrat zeigte sich jedoch auch mit einem Anteil von 20 Prozent der Stadt Bad Waldsee zufrieden.

Rudolf Bindig (SPD) warb dafür Regierungspräsident Klaus Tappeser in den Hintern zu treten, wenn er nicht planen wolle. Er verdeutlichte, dass Planungen schwierig seien. Das Misstrauen in das Land sei nicht verständlich. Geplant werde auf beiden Wegen. Es sollte der andere Weg gegangen werden. Auch Kreisrat Roland Zintl (Grüne) zeigte sich erstaunt über das Misstrauen in das Land.

Nach der Aussprache unterbrach Landrat Harald Sievers die Sitzung. Die Fraktionen zogen sich zur Beratung zurück.

In der Abstimmung fand der Gegenvorschlag der SPD einen "Kümmerer" einzurichten, statt der PBO beizutreten, keine Mehrheit.

Mehrheitlich beschloss das Gremium den Beitritt des Landkreises Ravensburg, wenn die Stadt Bad Waldsee noch tiefer in die Tasche greift und damit 26 Prozent der gesamten Planungskosten trägt. Der jährliche Anteil der Stadt beträgt damit rund 287.000 Euro der aktuellen Planungskosten. Davon erstattet der Bund der Stadt nach dem Bau je rund 85.000 Euro pro Planungsjahr. Bei steigenden Kosten werden sich beide Beträge entsprechend erhöhen. Der Gemeinderat Bad Waldsee muss in seiner nächsten Sitzung darüber entscheiden.

Der Mittelabfluss aus dem Kreishaushalt für die PBO deckelte der Kreistag auf 2 Mio. Euro pro Jahr. Die Kreisräte votierten zudem mehrheitlich dafür bis zum Jahresende auch eine Gesellschaft für die Planung von Landes- und Kreisstraßen sowie Radwegen zu prüfen und fordern Landesverkehrsminister Winfried Hermann auf die "Verwaltungsvorschrift Finanzierungsbeteiligung Straßen" um Radwege und Radschnellwege zu ergänzen.


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